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Festivalsterben
Absagen häufen sich
Sommerzeit ist Festivalzeit! Dieser Satz war jahrzehntelang in Stein gemeißelt. Doch die Szene ist einem starken Wandel unterworfen. Immer mehr Musikfestivals sterben, vor allem kleine und mittelgroße. Mit dem MELT hat jetzt sogar ein Platzhirsch aufgeben müssen. Schwer im Kommen sind hingegen Mega-Acts.
Als die Pandemie 2022 allmählich ihren Schrecken verlor, breitete sich überall Erleichterung aus, nicht zuletzt im Lager der Konzertveranstalter. Den Wegfall der Restriktionen und Vorsichtsmaßnahmen verbanden viele mit der Rückkehr zu einem vermeintlichen Normalzustand. Doch die Annahme, dass sich die Fans in großen Scharen in den Konzertsälen und Open-Air-Arenen zurückmelden würden, erwies sich als falsch.
Alle Musikstile betroffen
Seit einigen Jahren, verstärkt durch Corona, sterben massenweise die Festivals – und zwar überall in Europa. Musikenthusiasten vermissen das Bizarre Festival in Köln, das Woodstage in Glauchau, das Blackfield in Gelsenkirchen, das Zillo Open Air etc. etc. – die Liste ist schier endlos. Alle Musikstile, von Metal bis Hiphop, sind betroffen. Im Sommer 2024 war das Entsetzen groß, als selbst das traditionelle MELT-Festival in Sachsen-Anhalt, auf dem Größen wie Björk, die Pet Shop Boys, Bloc Party, Oasis oder Deichkind aufgetreten waren, sein Ende ankündigte.
Verändertes Verhalten der Fans
Natürlich fragen sich sowohl Fans als auch Festivalmacher, wie es zu der Entwicklung kommen konnte. Eine Antwort ist, dass die Musikliebhaber selbst mit ihrem Verhalten zum Niedergang beigetragen haben. Während oder kurz nach der Pandemie war lange Zeit unklar, ob angekündigte Konzerte, Theatervorstellungen etc. überhaupt stattfinden konnten. Man wusste nie, was Corona noch in petto hatte. Diese Unsicherheit führte dazu, dass Kulturinteressierte kaum noch Karten im Vorverkauf erstanden. Leider haben die Musikfans dieses Verhalten nach der Pandemie nicht wieder abgelegt. Ein etabliertes Festival wie das Rock am Stück in Fritzlar, das 2022 Insolvenz anmeldete, verkaufte zuletzt nur noch zehn, elf Karten pro Woche im VVK. Das war ein Einbruch von 90 Prozent und definitiv zu wenig, um finanziell noch seriös planen zu können.
Alles teurer
Richtig zu schaffen macht den Organisatoren auch die Inflation. Künstlergagen, Catering, Security-Personal, Technik – absolut alles ist teurer geworden, im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten um bis zu 300 Prozent, wie die Betreiber des Rock am Stück vorrechneten. Einen Teil der Kosten können Festivalmacher auf die Ticketpreise umlegen, doch das geht nicht endlos. „Wenn ich bei 200 Euro ankomme, Anreise, Essen und Trinken nicht mal mitgerechnet, – wer kann sich das noch leisten?“, fragte sich etwa Mark Eichler vom Meeresrausch-Festival, das 2024 ebenfalls aufgab.
Superstar-Economy
Dass Musikfans nicht mehr bereit sind, hohe dreistellige Beträge für Festivals auszugeben, steht allerdings im Widerspruch zu Meldungen, dass Besucher eines einzelnen Konzerts oft sehr tief in die Tasche greifen. Dies trifft etwa auf die „Swifties“ zu, die für Konzerte ihres Idols Taylor Swift inklusive Übernachtung oft weit über 1.000 Euro berappen. Die Branche nennt dies „Superstar-Economy“. Charakteristisch ist, dass Kundinnen und Kunden diese Beträge auf den Tisch legen und sich selbst sagen: „Once in a lifetime“! Man gönnt sich also ein vermeintlich einmaliges Erlebnis, eine Erinnerung fürs Leben – und lässt sich das was kosten.
Ein Teil der Wahrheit ist auch, dass Riesenfestivals wie Rock am Ring, Roskilde oder Wacken immer noch laufen, sehr gut sogar. Gigantismus ja – aber kleineres, lokal verankertes Festival nein? Ist das die Zukunft?