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Darmstädter Schüler erinnern an Theresienstadt

Ein Doppel-Mahnmal gegen das Vergessen

Ein Doppel-Mahnmal gegen das Vergessen

Diesen Schülerinnen und Schülern braucht man es nicht zweimal zu sagen: das Leid der Menschen, die in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten ermordet wurden, darf niemals in Vergessenheit geraten. Mit einer besonders eindrucksvollen Aktion erinnern Jugendliche der Edith-Stein-Schule in Darmstadt an hunderte Menschen aus ihrer Stadt, die im KZ Theresienstadt oder anderenorts einen qualvollen Tod fanden. 


Antisemitismus, Rassismus und Menschenverachtung machen sich wieder unverhohlen in der Gesellschaft breit.
Was dagegen tun? Mit einer Teilnahme an Demonstrationen gegen den Rechtsextremismus zeigt man seinen Widerspruch. Gut so! Ebenso wichtig: das dunkelste ­Kapitel der deutschen Geschichte, der nationalsozialistische Massenmord an Juden und anderen Gruppen von Verfolgten, muss immer Mahnung bleiben. Nur aktive Erinnerung kann verhindern, dass sich barbarische Taten wiederholen.

 

Wir gedenken der jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Darmstadt und Südhessen,
die nach Theresienstadt deportiert und ermordet wurden. Wir erinnern an ihr Leben und ihr Leid.
Sie dürfen nie vergessen werden.“

Gedenktafel für die nach Theresienstadt deportierten Jüdinnen und Judenaus Darmstadt


Reise nach Theresienstadt

Dies wissen die Schülerinnen und Schüler der Edith-Stein-Schule nur allzu gut. Die Schule habe, so Direktorin
Doris Krumpholz, eine lange Historie der Erinnerungskultur, allein schon deshalb, weil deren Namensgeberin, die Philosophin und Frauenrechtlerin Edith Stein, von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Das gleiche Schicksal erlitten über 200 Jüdinnen und Juden aus Darmstadt und Umgebung, die nach ihrer systematischen Entrechtung in das KZ Theresienstadt deportiert wurden und entweder direkt dort oder in einem der Vernichtungslager zu Tode kamen.

Für die Schüler*innen der Edith-Stein-Schule war dies der direkte Anlass, im Februar 2023 eine mehrtägige Reise nach Theresienstadt im heutigen Tschechien zu unternehmen. Das Konzentrationslager dort, heute Gedenkstätte, machte einen großen Eindruck auf die jungen Leute. In einem Blog hielten sie unter anderem fest:

„[…] die Sammelunterkunft, die wir besichtigten, war alles andere als gemütlich: 60 Personen mussten auf engstem Raum miteinander leben, jeder hatte nur etwa zwei Quadratmeter Platz. Privatsphäre oder gar Hygiene waren lediglich ein Wunschdenken […] Auf diese katastrophalen Bedingungen folgten viele Krankheiten und die Sterbe­rate war dementsprechend hoch.“

Zu den Höhepunkten des Besuchs in Theresienstadt zählte ein Skype-Gespräch mit der Zeitzeugin Evelina Merova, die unter anderem 18 Monate im Kinderheim von Theresien­stadt verbrachte und die Schüler*innen an Stationen ihres bewegten Lebens teilhaben ließ. Im Blog heißt es dazu:

„[…] eine ergreifende Begegnung, für die wir sehr dankbar sind, zumal es möglicher­weise eine der letzten Gelegenheiten für uns war, mit Menschen in den direkten Austausch zu kommen, die aus eigener Erfahrung von den Ereignissen berichten können.“

 

Von Nummern zu Namen

Noch in Theresienstadt fassten die jungen Leute aus Darmstadt den Entschluss, ihre Reise in einem Video und in einem Magazin festzuhalten. Ziel dabei war und ist es, die Erinnerung an das Leid der Verfolgten und Ermordeten wachzuhalten. Aus Nummern sollten Namen werden. Anhand verschiedener Dokumente rekonstruierten die Schüler*innen die Geschichte der Deportierten, die aus dem Schatten der Anonymität traten. Aus Opfern wurden Menschen.

Einen wachen Blick hatte die Darmstädter Gruppe auch für die Propaganda der Nationalsozialisten, die das KZ Theresienstadt als Altersheimstätte oder sogar als ein selbstbestimmtes jüdisches „Siedlungsgebiet“ verklärten. Gerade in Zeiten von Desinformationskampagnen ist es in der Tat wichtig, perfider Argumentation und Täuschungsversuchen nicht auf den Leim zu gehen.

 

Zwei Gedenktafeln 

Die Beschäftigung mit Theresienstadt endete nicht mit der Rückkehr der Schüler*innen nach Darmstadt. Es kristallisierte sich die Idee heraus, ein Mahnmal zu schaffen, das an die Juden und übrigen Opfer aus Darmstadt und Südhessen erinnert. Die Edith-Stein-Schule alliierte sich für dieses Vorhaben mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) und der Stadtverwaltung. Es entstand eine Gedenktafel mit einem Text, den die Schüler*innen selbst verfasst hatten. Die Tafel wurde Anfang Februar im Rahmen einer feierlichen Enthüllung in der Gedenkstätte Theresienstadt angebracht.

Während der Zusammenarbeit wurde allen Beteiligten klar, dass es bei einer Gedenktafel nicht bleiben könne. Eine weitere Tafel, aus demselben Stein wie die erste, soll bald auch in Darmstadt angebracht werden. „Wir schlagen damit eine Gedenkbrücke zwischen Darmstadt und Theresienstadt", erklärt Bernd Lülsdorf, von der GCJZ. Dieser doppelte Ansatz sei einzigartig.

 

tl_files/ausbildungsplatz/img/Redakteurmaterial/Newsbilder im Artikel/Theresienstadt_Textbild.jpg Darmstädter Schüler*innen im Gespräch mit der Zeitzeugin Evelina Merova


Ort in Darmstadt gesucht

Wo in Darmstadt das zweite Mahnmal angebracht ­werden soll, ist indes noch unklar. Die Stadt sucht ­gemeinsam mit der GCJZ und den Schüler*innen nach einem geeigneten Standort. „Es sollte ein Ort sein, der gut sichtbar und dem Gedenken würdig ist“, sagte Oberbürgermeister Hanno Benz. „Gerade die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zeigen, wie wichtig es ist, daran zu erinnern, welches Ausmaß Intoleranz, Rassismus und Antisemitismus erreichen konnten und können.“

Dass gerade Schülerinnen und Schüler diese Erinnerung entscheidend anstoßen, ist ein ermutigendes Zeichen. 

Premiumpartner

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