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Wege aus der Schuldenfalle

Jung - und schon bankrott?

Wer hätte nicht gerne ein Smartphone in der neuesten Version, angesagte Sportschuhe oder vielleicht sogar ein kleines Auto für Spritztouren im Sommer? Wer weiß es nicht zu schätzen, wenn man schnell einmal mit der Kreditkarte trendige Markenklamotten im Internet ordern kann – oder wenn der Pizzaservice zweimal klingelt, mindestens einmal in der Woche? Problem nur: Etliche Menschen, vor allem junge, leben schnell über ihre Verhältnisse und können, ehe sie sich versehen, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Das kann der Anfang eines Teufelskreises sein. 

Niemand weiß dies besser als Carolin Tschapka von der Jugendschuldnerberatung der Arbeiterwohlfahrt und des DGB in München. Die Eröffnung des Büros, in dem die Diplom-Soziologin heute arbeitet, war im Jahr 2006 eine Pioniertat, denn eine Anlaufstelle, die sich speziell um die finanziellen Probleme von Teens und Twens kümmert, gab es zuvor in Deutschland nicht. Erst allmählich entstehen an anderen Orten ähnliche Einrichtungen. Dabei ist der Bedarf groß, wie die aktuellen Zahlen des Schuldneratlas zeigen. Nicht weniger als 1,6 Millionen Deutsche unter 30 Jahren können ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen und ihre Schulden nicht mehr abbauen – immerhin 13,5 Prozent der Bevölkerung in dieser Altersgruppe!

 

Die Ursachen sind facettenreich

Frage: Frau Tschapka, seit 2004 hat sich die Zahl der überschuldeten jungen Menschen in Deutschland mehr als verdreifacht. Wie geraten junge Erwachsene in den Schuldenstrudel?
Carolin Tschapka: Gerade Frauen und Männer, die volljährig und damit auch voll geschäftsfähig werden, sind gefährdet. Die Ursachen für die Verschuldung sind dabei facettenreich. Ein typischer Fall ist eine junge Frau, die zu mir in die Beratung gekommen ist; nennen wir sie Nathalie. Nach der Schule und nach nur kurzer Beschäftigung ist die arbeitslos geworden. Aus Scham und Frust hat sie nicht auf alle Einladungen des Jobcenters reagiert – bis eine sogenannte Sanktion gegen sie ausgesprochen wurde, sie also weniger Arbeitslosengeld ausgezahlt bekam. Aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit hatte sie zuvor schon Schwierigkeiten, die monatlichen Rechnungen für ihr Handy zu bezahlen. Der Telefonanbieter kündigte daraufhin den Vertrag und verlangte Schadensersatz. Weil sie den in ihrer Situation nicht zahlen konnte, beauftragte das Telefonunternehmen ein Inkassobüro mit dem Eintreiben des Geldes. Dadurch entstanden neue Kosten – und zwar in gewaltiger Höhe. Dann ist sie auch noch beim Schwarzfahren erwischt worden, sie wollte das knappe Geld, das ihr blieb, nicht für ein U-Bahn-Ticket ausgeben, und 2,50 Euro ist ein großer Betrag für sie. Ein erhöhtes Beförderungsentgelt wurde fällig, und sie geriet immer mehr in einen Sog hinein. Zinsen und Kosten türmten sich auf – sie verlor immer mehr die Kontrolle über ihr Leben.

Ist Arbeitslosigkeit der Anfang allen Übels?
Carolin Tschapka: In manchen Fällen, ja. Oft ist aber auch einfach das Konsumverhalten das Problem. Selbst wenn Jugendliche keinen Ausbildungsplatz oder keine Arbeit und also wenig Geld haben, wollen sie mit ihren besser gestellten Freunden mithalten können. Wollen deren Standard erreichen, modische Kleidung tragen, nicht außen vor sein. Oft verschulden sie sich deshalb.

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Wie kommen sie an Geld – ohne Sicherheiten?
Carolin Tschapka: Leichter, als man denkt. Zum Beispiel pumpen sie sich etwas von Freunden oder Erwachsenen. Oder sie vereinbaren bei größeren Anschaffungen Raten-zahlungen, ohne wirklich zu ermessen, ob sie diese stemmen können. Manche Banken, unter anderem Online-Institute, gewähren auch allzu schnell Kredite. Sie tragen zum Teil eine Mitschuld daran, wenn junge Erwachsene sich überschulden.

Manche junge Leute sind zu blauäugig, können ihre finanzielle Situation nicht richtig einschätzen?
Carolin Tschapka: Sie haben keine finanzielle Allgemeinkompetenz, wissen wenig über bargeldosen Zahlungsverkehr … Oft haben sie keinerlei Übersicht über ihre Einnahmen und Ausgaben.

Versagen da auch Eltern oder die Schule?
Carolin Tschapka: Nicht alle Eltern sind gute Vorbilder, viele leben den schlechten Umgang mit Geld vor. Manchmal verlangen Eltern, die selbst nicht mehr kreditwürdig sind, von ihren gerade volljährigen Kindern, dass sie ein Darlehen für sie aufnehmen. Damit sie sich dann den neuesten DVD-Player kaufen können oder dergleichen. Oder es passiert, dass eine junge Frau so abhängig von ihrem schon verschuldeten Freund ist, dass der von ihr verlangen kann, »aus Liebe« einen Handyvertrag abzuschließen, von dem nur er profitiert. Zerbricht die Liebe dann, steht die Frau mit den Verpflichtungen da. Viele junge Menschen wissen nicht einmal, was sie tun, wenn sie einen Vertrag unterschreiben. Da muss die Aufklärung erheblich intensiviert werden, auch in den Schulen. 

 

Hoffnung gibt es immer

Zurück zu Nathalie. Wie konnten Sie ihr helfen?
Carolin Tschapka: Leider kam sie sehr spät zu uns – was typisch ist. Mit den Ratsuchenden analysieren wir zuerst immer die individuellen Ursachen. Vielleicht gibt es Konflikte in der Familie, dazu eine labile Persönlichkeit beim Schuldner und ein mangelndes Problembewusstsein. Drogenabhängigkeit, Spiel- oder Kaufsucht kann eine Rolle spielen. Schwer wiegt natürlich, wenn jemand kein regel-mäßiges Einkommen oder keinen Schulabschluss hat. Wir versuchen gemeinsam mit den jungen Leuten, deren Bewusstseinsstruktur nachhaltig zu ändern, damit sie und ihre finanzielle Situation stabiler werden. Sie lernen z. B. bei uns, Forderungen und Verträge zu sortieren, einen Haushaltsplan zu führen, Verantwortung für sich zu übernehmen. Das ist oft ein langwieriger Prozess, der sich aber am Ende auszahlt. Auch im Fall von Nathalie bin ich optimistisch.

Wann stoßen Sie an Ihre Grenzen?
Carolin Tschapka: Hoffnung gibt es eigentlich immer. Wenn jemand Azubi ist oder monatlich ein nur sehr geringes Einkommen hat, bleibt natürlich nur wenig Geld für den Schuldendienst. Man versucht zunächst, eine außergerichtliche Schuldenbereinigung zu erreichen, sobald die jungen Leute psychisch und sozial stabil sind. Scheitert dies, steht das Insolvenzverfahren zur Verfügung, das einen Neubeginn ermöglichen kann. Viele schämen sich, zu uns in die Beratung zu kommen, aber das ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Die jungen Leute beginnen, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Das verdient Anerkennung!

 

Schuldenfrei in sechs Jahren

Die jungen Leute, die das Beratungsangebot der Arbeiterwohlfahrt in München annehmen, haben im Schnitt etwa 5.000 Euro Schulden. In Einzelfällen können die Verbindlichkeiten aber wesentlich höher sein und mehrere zehntausend Euro betragen. Wenn eine außergerichtliche Problemlösung nicht möglich ist, bleibt die Privatinsolvenz. Das Wort klingt nach Bankrott und Scheitern, aber es beschreibt auch eine Chance. Den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt man beim zuständigen Amtsgericht. Das Gericht bestellt einen Treuhänder, der unter anderem das pfändbare Vermögen des Schuldners – sofern vorhanden – verwertet. Auch kündigt das Gericht die Restschuldbefreiung an, doch bevor diese wirklich ausgesprochen wird, muss der Schuldner in einer sechs Jahre langen »Wohlverhaltenszeit« pfändbare Beträge seines Einkommens abführen und bestimmte Pflichten erfüllen (z. B. sich um Arbeit bemühen, wenn er arbeitslos sein sollte). Nach sechs Jahren kann der Antragsteller schuldenfrei sein.

 

Auf www.meine-schulden.de finden sich viele Tipps, wie man Überschuldung vermeidet. Die Seite enthält auch Hinweise, wie Betroffene Beratungsstellen in ihrer Nähe finden können.

Sehr interessant für Schüler, Lehrer und Eltern sind außerdem die Seiten von Cashless, dem Präventionsprojekt Jugendschulden in München:      www.cashless-muenchen.de

 

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